„Wo soll ich denn hin? So sagt mir doch, wo soll ich hin?“ Mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung schreit es aus der alten Dame heraus, während sie ruhelos die Flure des Altenheims auf und ab wandelt.
Bei den Angesprochenen ist die Ratlosigkeit nicht geringer.
Hat man sie anfangs fürsorglich an die Hand genommen, sie zu trösten versucht und mit gutem Zureden zu ihrem Zimmer begleitet, so war sie kurze Zeit später schon wieder da. Und fragt fast flehentlich „Wo soll ich denn hin?“.
Wo soll sie denn eigentlich wirklich hin?
Niemand scheint es zu wissen. Jahr für Jahr werden neue Richtlinien festgelegt, Qualitätshandbücher geschrieben, Vorschriften verschärft, wohl gemerkt ohne die personelle Ausstattung zu verbessern, ganz im Gegenteil. Aber gegen die stetig steigende Anzahl von Demenzkranken in der Altenpflege helfen keine Qualitätshandbücher. Vermehrte persönliche Zuwendung vielleicht, aber wer sollte die leisten.
„Wo soll ich bloß hin, sagt es mir doch!“
Wie oft hat sie sich das schon gefragt in ihrem Leben. Als sie in Ostpreußen lebte, die Russen vor der Tür standen. Sie sich die Kinder geschnappt, ein paar Habseligkeiten noch und auf den weiten Weg gemacht hatte, Richtung Westen, der ungewissen Zukunft entgegen.
Damals wusste sie wohin, Bruder, Schwester, alle waren schon vorher in den Westen gegangen. Nur sie wollte das Vaterhaus nicht aufgeben. Wo Vater doch schon weg war, gefallen an der Front. Der Mann lebte noch, wie lange wohl, in diesem mörderischen Krieg.
Trotzdem eine neue Existenz aufgebaut in Hamburg. Der Mann war Gott sei dank heil aus Russland zurückgekommen. Dann kam die Sturmflut 1962, wieder war alles weg.
„Wo sollen wir denn hin?“ Wieder diese Frage, aber noch gibt es Antworten. Private Hilfe, staatliche Unterstützung.
Doch jetzt auf dem Zenit ihres Lebens, abgeschoben ins Heim, wo soll sie nun hin? Alle geben sich Mühe, alle nehmen sie an die Hand. Versuchen sie zu führen.
Aber wohin eigentlich?
Artikel von Hans Pürstner
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