So hilfreich und entlastend die 24-Stunden-Anwesenheit einer Betreuerin bei den betagten Eltern auch sein mag – es gibt auch Fälle in denen die Eltern darunter leiden. Dann stellt sich natürlich die Frage, ob nicht der Aufenthalt in einem Altenheim die bessere Alternative gewesen wäre. Um dies zu erläutern können Sie einen Brief lesen, der auf einer wahren Begebenheit beruht und auch genau so hätte geschrieben werden können:
Liebe Frau Regina,
meine Mutter hält es auf die Dauer mit Frau Danuta nicht mehr aus. Danuta ist hilfsbereit, fleißig, sauber aber zu hektisch und das Schlimmste: zu dominant. Das zeigt sich in Szenen, in der sie sie sich vor die Mutter stellt und mit erhobenem Zeigefinger sagt: „Meine liebe Frau…“ und „Wir in Polen…“Wenn Besuch kommt sitzt Danuta mittendrin und zieht sich nicht auch mal diskret zurück.
Kochkünste: sehr beschränkt. Jetzt kocht die Mutter selbst weil sie die fette polnische Hausmannskost nicht essen will.
Natürlich ist meine Mutter auch eigenwillig. Sie hat genaue Vorstellungen wie die Spülmaschine eingeräumt werden muss. Sie hat ein System, das sie seit 50 Jahren nicht verändert hat. Danuta setzt sich aber darüber hinweg und räumt die Spülmaschine ein so wie sie es für richtig hält. Wir Kinder machen das auch, aber nur wenn die Mutter es nicht mitbekommt…
Ich weiß nicht mehr weiter. Wir haben ja gehofft, dass es sich nach ein paar Tagen bessert aber eher das Gegenteil ist der Fall. Die Atmosphäre wird immer angespannter und mittlerweile wird der Ton zwischen den beiden auch richtig laut …“
Wenn es sich nach kurzer Zeit zeigen sollte, dass zwischen Betreuerin und Betreuten „die Chemie nicht stimmt“, dann sollte man die Betreuerin möglichst bald wechseln. Erfahrungsgemäß wird es nicht besser wenn man länger wartet.
Sollten Sie mit dem Gedanken gespielt haben, Ihre Eltern zu Hause betreuen zu lassen, kann vielleicht der folgende Ratgeber hilfreich für Sie sein. Er hilft Ihnen, Ihre möglicherweise zu hohen Erwartungen an eine Betreuerin zu korrigieren, vielleicht bei der Auswahl etwas kritischer zu sein und nicht die Erstbeste zu nehmen, die ihnen vorgeschlagen wird. Der Ablauf – so wie es im Grunde bei allen Vermittlungen läuft – finden Sie hier beschrieben. Vielleicht macht es auch Sinn, eine Betreuungs-Probezeit von 14 Tagen zu vereinbaren und danach zu entscheiden, ob die Betreuung weiter geführt werden soll oder nicht.
Oft möchten die Kinder, dass jemand bei den Eltern ist, da sie es für zu gefährlich halten, sie alleine zu lassen. Die Eltern möchten das aber keineswegs. Manchmal sind sie gestürzt und erst nach Stunden gefunden worden. Oder sie schaffen es nicht mehr, sich selbst zu versorgen und bringen sich in gefährliche Gesundheitszustände, weil sie vergessen ihre Medikamente einzunehmen oder zu wenig trinken. Dabei kann die Selbstüberschätzung der Senioren groß sein: sie behaupten sie hätten alles im Griff und bräuchten keine Hilfe. Und auf den Vorschlag, dass eine Betreuerin ihnen helfen soll, reagieren sie negativ und ablehnend. Vielleicht haben sie ein halbes Jahrhundert und länger selbständig alleine gelebt und nun soll jemand Fremdes mit ihnen unter einem Dach wohnen? Unvorstellbar.
Als Angehöriger ist man in einem Dilemma: man weiß, dass es so nicht weiter gehen kann, hat aber keine Lösung parat gegen die sich die Eltern nicht wehren.
Wenn die Eltern nicht dement sind und in einer entspannten Gesprächs-Atmosphäre vernünftigen Argumenten zugänglich sind, ist es vielleicht sinnvoll alle möglichen Alternativen – von der Senioren- WG bis zur osteuropäischen Betreuerin – einmal durchzusprechen und dabei die Pros und Kontras jeder einzelnen Wohnform im Alter gegenüberzustellen.
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